Über einen Monat Familienzeit auf El Hierro

Als unser jüngster Sohn genau drei Monate alt ist, fliegen wir nach Teneriffa und nehmen einen Tag später voll freudiger Erwartung die Fähre nach El Hierro. Fünf Wochen Familienzeit wollen wir uns auf dieser kleinen Kanarischen Insel gönnen. Über Weihnachten und Neujahr dem Stress und der Kälte entfliehen, dafür viel Sonne tanken und den Brüdern Zeit geben sich kennenzulernen. Also tauschen wir unsere kleine 2-Zimmer-Wohnung in München gegen die abgelegene Finca Casa El Matel in der Nähe von El Pinar. Der nächste Strand ist gut zwölf Kilometer entfernt, aber dank der sonnigen Hanglage auf 800m haben wir sogar Meerblick!

Warum El Hierro und warum ohne Zelt?

Nachdem unser letzter Urlaub im Sommer uns noch zu dritt nach Rumänien führte, geht es Mitte Dezember 2015 nun das erste Mal zu viert auf große Reise. Im Winter irgendwo hin reisen wo es verlässlich warm ist, günstig und nicht allzu viel los, das waren die selbsternannten Kriterien. Und als ich endlich den ersten Reiseführer von El Hierro in den Händen halte, ist es wie eine Offenbarung. Sofort ist mir diese Insel sympathisch als ich lese, dass der gesamte Energiebedarf seit 2014 durch die natürlichen Ressourcen Sonne, Wind und Meerwasser gedeckt wird. Das Kraftwerk Gorona del Viento versorgt die 270 Quadratkilometer große Insel mit ihren rund 10.000 Einwohnern und den 60.000 Touristen im Jahr mit Strom aus 100% erneuerbaren Energien; als erste Insel weltweit. Durch ein Pumpspeicherkraftwerk mit einem Wasserreservoir im Vulkankrater fließt auch Strom bei einer Windflaute. Somit ist das alte Dieselkraftwerk obsolet und es müssen nicht mehr rund 6.000 Tonnen Diesel jährlich nach El Hierro transportiert werden. Vorbildlich!

Da wir während unserer Familienzeit auf El Hierro für zwei Wochen Besuch von Omas und Opas erhalten, brauchen wir eine Bleibe mit zusätzlichen Schlafplätzen und verzichten auf unser Zelt. Außerdem sind wir uns nicht sicher, ob es den Campingplatz in der Inselmitte wirklich gibt und wir alles in unsere Rucksäcke inklusive Stoffwindeln bekommen würden. Doch schnell ist klar, dass wir keine Ferienwohnung wollen, sondern ein kleines Häuschen wo wir unsere absolute Ruhe haben. Und niemand von Babygeschrei genervt wird. Ich kann mein Glück kaum fassen, als wir mit Antonio sprechen und die Finca El Matel über diesen Zeitraum wirklich noch frei ist. Er macht uns ein gutes Angebot und wir haben die schönste Bleibe der Insel fünf Wochen für uns.

Wandern nach El Pinar

Hier sind wir von Sträuchern, Oliven- und Feigenbäumen und vielen Kakteen umgeben. Manchmal ziehen Schafe in der Ferne vorbei. Und fehlen uns ein paar Lebensmittel wandern wir die gut zwei Kilometer auf Feldwegen nach El Pinar. Das ist schöner als mit dem Mietwagen einen großen Bogen zu fahren. Wir wechseln uns mit der Kraxe und dem Tragetuch ab, doch meist schafft unser Großer den Weg allein.

Familienzeit bedeutet auch gemeinsame Abenteuer

Im Dezember und Januar kann es in den Abendstunden und nachts wirklich noch empfindlich kalt sein. Und habe ich anfangs über den Ofen geschmunzelt, zünden wir ihn bald jeden Abend an. Mit dem Knistern des Feuers im Hintergrund Gute-Nacht-Geschichten erzählen, ist einfach viel gemütlicher. Doch natürlich benötigen wir auch Holz dafür. Und so verwenden wir jeden Tag viel Zeit mit Feuerholz suchen und Kleinmachen. Der Große hilft schon fleißig. Ganz im Gegensatz zu meinem Mann, der sich beim Schinken schneiden grandios in die Hand geschnitten hat, sodass von ihm nicht viel Hilfe zu erwarten ist.

Auch ernten wir fleißig die Kakteenfrüchte, die so überaus lecker schmecken. Auf Grund der feinen, kleinen Stacheln benutzen wir große Holzzangen dafür. Doch beim Schälen ist mir das zu umständlich und ich habe noch einige Tage die kleinen Häarchen in den Fingerspitzen.

Baden ist im Dezember schwierig

Im Dezember ist das Meer oft sehr rau und die hohen Wellen machen das Baden mit kleinen Kindern an vielen Stellen unmöglich. Selbst im Golftal an den Charcos, den Naturschwimmbecken im Fels, geht das kaum. Doch dafür gibt es geschützte Bereiche wie im Süden der Insel die abgelegene Badebucht Tacorón oder den Hafen von La Restinga.

Sommerresidenz Pozo de las Calcosas

Auch bei der eindrucksvollen Sommerresidenz Pozo de las Calcosas im grünen Norden der Insel ist Baden im Winter nicht möglich. Dafür bietet sich der um diese Jahreszeit völlig leer gefegte Platz mit den Sommerhäuschen vieler nach Südamerika ausgewanderter Spanier für andere Dinge an: Die tosende Brandung bei einem leckeren Picknick bestaunen. Oder einfach im Casa Carlos den fantastischen Ausblick bei Fischsuppe oder Camarones genießen.

Schinken alle, wir müssen heim

Mein Mann kaufte in den ersten Tagen unserer Familienzeit auf El Hierro einen riesigen Schinken. Völlig übertrieben wie ich fand. Doch es dauerte nicht einmal fünf Wochen bis der Schinken weg war. Rückblickend muss ich meinem Mann recht geben: Es hat sich gelohnt!

Fazit

Unsere Familienzeit auf El Hierro war unbeschreiblich schön. Die Finca selbst ist toll, insbesondere die Lage einfach unbezahlbar. Diese ruhige Oase mitten im Grünen zwischen alten Feigenbäumen und Kakteen, mit prasselndem Kaminfeuer in den kalten Abendstunden; ein Traum.
Dennoch bleibt auch die schönste Finca ein Haus mit Haushalt. Es muss geputzt werden und auch das Kochen findet leider drinnen im Dunkeln statt. Dafür ist es abends kuschlig warm und behaglich am Feuer. Und für unsere Großeltern war es einfach perfekt. Wahrscheinlich ist es Typsache, aber ich habe wirklich meinen Schlafsack und das Zelt vermisst!
Für El Hierro braucht man Zeit. Wie unglaublich glücklich konnten wir uns schätzen die zu haben. Vielleicht habe ich mich deshalb sofort in diese Insel verliebt. El Hierro, wir kommen wieder! Mit Zelt.

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