Warum wir nun im Mietwagen nach Ærø unterwegs sind, habe ich bereits im letzten Artikel verraten. Natürlich wäre es viel schöner unseren Roadtrip mit dem Blazer zu unternehmen, doch Hauptsache wir kommen mit unserem ganzen Krempel auf die kleine dänische Ostseeinsel Ærø!
Und wir haben wahrlich viel Gepäck dabei:
- vier Fahrräder, plus Fahrradtasche, Helme, Handschuhe
- Kite inkl. Brett
- aufblasbares Boot, plus Pumpe, Sitzbretter und Paddel
- diverse Spielsachen wie Fuß- und Volleyball, Sandelspielzeug
- übliche Campingausrüstung mit Zelt, Sonnensegel, Schlafsäcken, Isomatten, Kocher, Wassersack, Geschirr etc.
Hinfahrt mit Hindernissen
Auf Grund von Corona werden uns bestimmte Randbedingungen diktiert: Wir müssen mindestens sechs Nächte in Dänemark bleiben und bereits eine Unterkunft gebucht haben. Ein Tag vor unserer Abreise in München wird diese Einreisebestimmung zwar für nichtig erklärt, doch da haben wir bereits einen Campingplatz und die Fähre gebucht.
Wir wollen gemütlich in drei Tagen nach Fynshav in Dänemark fahren. Eigentlich genug Zeit, selbst beim Reisen mit einem langsamen Oldtimer. Doch unser Totalausfall des Blazers macht uns da einen gehörigen Strich durch die Rechnung. Notgedrungen müssen wir zwei Nächte in Franken verbringen und können unsere Reise erst Dienstag in aller Früh mit einem Mietwagen fortsetzen. 730 Kilometer liegen vor uns, um unsere gebuchte Fähre abends um 18 Uhr nach Ærø zu bekommen. Deshalb verzichten wir auf ein gemütliches Frühstück und verlassen bereits um 8 Uhr den Campingplatz am schönen Auensee.
Bis zum Schluss glaube ich nicht wirklich, dass wir auf die Fähre dürfen. Nicht, weil wir vielleicht zu spät ankommen werden, sondern auf Grund des bizarren Ticketpreises von 1,69€. Für zwei Erwachsene, zwei Kinder, mit Auto und für Hin- und Rückfahrt. Da muss doch was nicht stimmen.
Doch alles läuft tadellos, so dass wir sogar noch eine kurze Pause in Flensburg machen. Beim Grenzübertritt sind wir etwas aufgeregt, ob Kontrollen statt finden. Doch es werden nur stichprobenartig einzelne Autos kontrolliert. Da wir durchgewunken werden, treffen wir rund eine Stunde vor Abfahrt in Fynshav auf Alsen ein.
Die dänische Südsee, auch bekannt als Südfynisches Inselmeer, ist auf Grund der vielen, kleinen idyllischen Inseln und der guten Windverhältnisse ein beliebtes Segelrevier. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass wir in der Abendsonne noch viele Segelschiffe entdecken.
Die Autofähre bringt uns sicher nach Søby, in das wirtschaftliche Zentrum der kleinen Ostseeinsel Ærø. Der größte Arbeitgeber der Insel, die Werft von Søby, sowie eine Fischereiflotte sind hier im Norden beheimatet. Bereits die Fährfahrt hat uns allen Stress vergessen lassen und die anschließende Tour über die Insel verdeutlicht uns, dass hier die Uhren etwas langsamer ticken.
Traumhafter Campingplatz bei Marstal
Die Insel ist nur ungefähr 30 Kilometer lang und dementsprechend schnell befinden wir uns auf der anderen Seite im östlichen Teil der Insel. Hier erwartet uns ein Campingplatz zwischen hohen Gräsern, einer Weide auf der schwarze Stiere grasen und dem Meer. Dazu saubere sanitäre Einrichtungen, kostenloses WLAN, ein Gemeinschaftsraum mit Fernseher und Kühlschrank, eine voll ausgestattete Küche, ein Spielplatz mit verschiedenen Fahrzeugen, ein großer Fußballplatz, diverse Grill- und Sitzplätze – wir hätten es definitiv schlechter treffen können.
Da ich unbedingt nach Marstal wollte, dank dem Roman von Carsten Jensen, kommt für uns nur der Campingplatz in Marstal in Frage. Und er hat uns schlichtweg begeistert. Denn auch das Personal ist stets sehr freundlich und hilfsbereit. Allgemein sind uns die Menschen sehr entspannt und stets mit einem Lächeln begegnet. Und das, obwohl unsere Jungs nicht immer besonders leise waren.
Mal wieder beschleicht mich das Gefühl, dass es Zeit wird in München unsere Zelte abzubrechen und Richtung Norden umzusiedeln.
Da die Hauptsaison bereits vorbei ist, gibt es aktuell keine Brötchen im Shop des Campingplatzes zu kaufen. Deshalb heißt es morgens schnell in die Stadt zum Bäcker radeln und frische Zimtschnecken holen – einfach herrlich! Natürlich ist das Kaffee und Tee Kochen auf Grund des Windes manchmal etwas kompliziert. Zur Not eben unter Aufsicht im Vorzelt.
Und das Beste: Noch vor dem Frühstück eine Runde Schwimmen gehen. Die Zähne klappern ein wenig und wohlig wärmt der Kaffee danach von innen. Und die Zimtschnecken schmecken doppelt so gut. Meine persönliche Definition von hygge. Ein Bewusstsein für die kleinen Dinge im Leben, die glücklich machen.
Wasserspaß auf Ærø: Baden, Bootfahren, Kiten und Segeln
Hier inmitten der Dänischen Südsee ist die Ostsee alles andere als langweilig und ich fühle mich sofort pudelwohl. Es gibt viel Wind und dementsprechend aufgewühlt ist auch das Meer. Besonders schön finde ich das Baden unweit von Marstal, da die großen Segelschiffe am Horizont zum Träumen einladen.
Und die kleinen Badehäuschen auf der Landspitze von Eriks Hale versprühen ihren ganz eigenen Charme. Überbleibsel vergangener Zeiten und natürlich viel zu schade zum Abreißen stehen die oft schon 100-jährigen kleinen Schuppen in der Nähe von Marstal und dem Campingplatz. Auch am Vesterstrand von Ærøskoping sind noch solche Strandhäuschen zu finden. Insgesamt gibt es 74 Badehäuschen an beiden Orten, die zum erhaltungswürdigen Kulturerbe Dänemarks gehören. Früher meist nur zum Umziehen gedacht, haben einige Schuppen mittlerweile eine Veranda bekommen und erinnern eher an Lauben in Schrebergärten. Doch die Auflagen sind streng und alles muss original bleiben. Auch darf kein Strom oder Wasseranschluss verlegt werden.
Doch die Landspitze Eriks Hale lädt nicht nur zum Spazierengehen ein. Sie ist ein sehr gutes Revier zum Kiten, da Anfänger perfekte Bedingungen im seichten, wärmeren Gewässer ohne Wellen in der kleinen Bucht beim Hafen vorfinden.
Könner bevorzugen natürlich die andere Seite mit der stärkeren Brandung. Leider konnten wir uns hier keine Bar für unseren Kite ausleihen und es selbst nicht versuchen. Doch den anderen zugucken hat auch viel Spaß gemacht!
Der Kiesstrand bietet sich an, um schöne Steine zu suchen und unsere an die Isarsteine gewöhnten Füße beschweren sich nicht. Dennoch erleichtert der Badesteg das Eintauchen ins kühle Nass für die Kinder sehr.
Aber am meisten lieben sie es die Küste vom Wasser aus zu beobachten und so rudern wir fleißig gegen den Wind und springen bei herrlichem Wetter vom Boot aus ins Meer.
Marstal, eine geschichtsträchtige Seefahrerstadt
Schiffe aus Marstal befahren seit Jahrhunderten die sieben Weltmeere. Vorallem für den Bau der Neufundlandschoner, der riesigen Segelschiffe aus Holz, die dem Nordatlantik trotzten ist Marstal bekannt. Und so verwundert es nicht, dass sich hier der ehemals zweit wichtigste Hafen Dänemarks befindet.
Alte Fabrikhallen, Reedereien und zahlreiche Werften zeugen von der ehemaligen Bedeutung der vergleichsweise kleinen Stadt Marstal. Auch heute noch ist sie die wichtigste und größte Stadt auf Ærø. Außerdem befindet sich eine der größten Seefahrtschulen des Landes hier, die Navigationsoffiziere für die dänische Handelsflotte ausbildet. Die Stadt hat ein pulsierendes Zentrum und sympathische Cafés und Läden zu bieten. Nach und nach hat sie sich rund um den Hafen entwickelt. Die bunten Häuschen sind niedrig und geduckt kauern sie sich direkt an die schmalen Straßen von Marstal.
Es ist schon ein lustiges Gefühl durch die Gassen eines Romans zu laufen und ich bin glücklicherweise nicht von der Realität enttäuscht.
Schifffahrtsmuseum in Marstal
Das legendäre Schifffahrtsmuseum ist einfach ein Muss. Nicht nur wegen dem im Buch Wir Ertrunkenen erwähnten Schrumpfkopf, der hier zu finden ist. Auch andere Artefakte aus fernen Ländern wie Vasen, Schmuck oder Waffen sind ebenso ausgestellt wie Seefahrerkarten und hunderte Schiffsmodelle in unterschiedlichen Größen. Viele Tafeln informieren die Besucher über die maritime Geschichte und den regen Handel der Stadt. Welche Waren von welchen Länder aus transportiert wurden, wie viele Registertonnen Ladung sie dabei hatten, wir groß die benötigte Mannschaft war und dergleichen mehr. Außerdem gibt es eine riesige Sammlung an Flaschenschiffen und imposante Gemälde von Schiffen auf weiter See.
Doch die Kids zieht es eher zu einem Modell der Dampfmaschine, die auf Knopfdruck zu arbeiten beginnt. Oder einer Schiffsglocke, die herrlich laut tönt.
Mir wird bewusst, dass hier nicht nur die Geschichte einer Stadt, sondern die eines ganzen Landes vor einem liegt. Dementsprechend könnte man ohne aufkommende Langeweile ganze Tage im Schifffahrtsmuseum verbringen und nicht nur ein paar Stunden.
Ausflug in die Märchenstadt Ærøskoping
Zum Radeln war es uns doch etwas zu weit und so haben wir uns für die kostenlosen Busse auf Ærø entschieden. Wir laufen zum Hafen in Marstal, zuckeln 25 Minuten mit dem Bus über die Felder von Ærø Richtung Nordküste und steigen im Hafen von Ærøskoping wieder aus.
Uns erwartet ein Bilderbuch-Städtchen aus dem frühen Mittelalter mit alten Häusern und schmalen, mit Kopfstein gepflasterten, Gassen. Deshalb wird dieses idyllische Städtchen auch Märchenstadt genannt. Immerhin prägen sehr viele gut erhaltene kleine Häuser aus dem 17. und 18. Jahrhundert das Stadtbild, die natürlich unter Denkmalschutz stehen. Damit ist Ærøskoping die am besten erhaltene Stadt Dänemarks aus dieser Epoche.
Das historische Zentrum der Insel ist natürlich auch eine Hafenstadt. Deshalb darf ein Hafen mit Fähranleger und diversen Freizeitbooten nicht fehlen. Und selbstverständlich gibt es das obligatorische Fischlokal direkt an der Waterkant. Um den fangfrischen Fisch im Brötchen oder auf dem Teller mit verschiedenen Beilagen wie Salat oder Kartoffeln genießen zu können, muss man schon eine Weile anstehen. Doch es lohnt sich. Es gibt zahlreiche, selbstgemachte Saucen und Dips und unterschiedliche Vollkornbrote oder Brötchen. Wie erwartet ist diese Zwischenmahlzeit, die wir uns bei einer Regenpause im Hafen gönnen, etwas teurer als in Deutschland. So müssen wir umgerechnet über 50 € für drei Fischbrötchen, ein Fischteller und zwei Bier bezahlen. Doch es ist wirklich ausgesprochen lecker und das Geld wert!
Fazit
Ständig dem Wasser so nah, eine oft dramatische Stimmung durch Wind und Wolken, frischer Fisch, das besondere Licht, das kalte Meer und leckere Zimtschnecken: Mittlerweile habe ich den Norden wirklich lieben gelernt und möchte ihn nicht mehr missen. Und hier inmitten der Dänischen Südsee findet man noch ein unaufgeregtes Fleckchen Natur, fernab jeder Hektik.
Rückblickend war unsere Reisezeit Mitte/Ende August perfekt gewählt, da die Hauptsaison bereits vorüber ist, die Unterkünfte damit günstiger und weniger Menschen die Insel bevölkern. Das Wetter ist aber noch tadellos und die vielen Sonnenstunden laden zum Kiten, Rad fahren, Schwimmen, Segeln und Wandern ein.
Ærø, wir kommen bald wieder! Hoffentlich dann auch ein bisschen länger, denn die sechs Nächte und fünf Tage auf der kleinen beschaulichen Ostseeinsel gingen viel zu schnell vorbei.
Einziger Trost: Wir müssen noch nicht unsere Rückreise nach München antreten, denn wir haben noch 12 Tage Urlaub in der Eckernförder Bucht vor uns.