Willkommen daheim: Endlich wieder auf El Hierro

So fühlt es sich wirklich an, als wir am 4. März spätabends mit der Fähre auf El Hierro eintreffen. Nach diesem Urlaub haben wir fast drei Monate hier verbracht und es war kein bisschen langweilig auf der kleinsten der sieben kanarischen Hauptinseln. Dafür entspannt, ruhig und dennoch abwechslungsreich. Ich liebe diese Insel, die irgendwie wilder, rauer und abgeschiedener ist als die anderen. Dank der Berge in der Inselmitte sieht man fast von überall das Meer mit seinen weißen Schaumkrönchen. Schroffe Lavafelsen, kristallklares Wasser, knorrige Wacholderbäume, Rieseneidechsen, mit Flechten bewachsene Lorbeerbäume, Greifvögel im Kiefernwald, atemberaubende Aussichtspunkte, Zelten ohne Begrenzungen – all das macht den Zauber der Insel für mich aus.

Aber da ist noch mehr. Das ist mir auf der Heimfahrt von La Caleta zum Campingplatz Hoya del Morcillo bewusst geworden: Es sind vor allem die ungefähr 10.000 Menschen, die hier leben. Die stolzen Inselbewohner, die ihre Insel pflegen und schützen. Die nachhaltigen Tourismus wollen. Die zunächst etwas wortkarg, dafür aber sehr herzlich sind. Die in liebevoller Kleinstarbeit ihre Steinmauern reparieren anstatt Beton zu benutzen. Die sich einfach Zeit nehmen zum Leben.

Unser Zuhause im Kiefernwald

Für mich befindet sich der schönste Zeltplatz der Welt auf El Hierro, in der Nähe von El Pinar. Während der Wintermonate eine unvergleichliche Ruheoase. Meist hört man nur den Wind in den Bäumen rauschen, das Flügel schlagen der Falken oder die schwarzen Kohlraben kreischen.

Ab und zu fahren ein paar Mountainbiker durch den Wald oder Wanderer kommen vorbei. Sehr selten übernachten mal ein paar andere Leute im Zelt. Meist Deutsche und nur für eine Nacht. Dann ist man wieder herrlich allein.

San Andrés ohne Wolken

Dieses Jahr ist vieles anders. Wie jedes Mal steuern wir altbekannte Plätze an und schauen was sich verändert hat. Hier einige neue Zäune als Schutz vor Steinschlag an der Westküste, dort eine neu asphaltierte Straße zum Leuchtturm (Faro de Orchilla) oder ein gesperrter Aussichtspunkt wie dieses Jahr leider der spektakuläre Mirador de Bascos. Aber eine verlässliche Konstante gab es bisher: San Andrés war im Winter immer in Passatwolken gehüllt, meist bei 9 Grad Celsius.

Doch diesmal kein Wölkchen am blauen Himmel und Sonne satt bei unglaublichen 15 Grad Celsius auf 1100 Metern.

Endlich bei der Fuente de Mencáfete

Am vorletzten Urlaubstag brechen wir zu einer besonderen Wanderung auf. Bereits im Dezember 2015, bei unserem ersten El Hierro Aufenthalt, wollte ich die Fuente (Quelle) de Mencáfete besuchen. Doch damals sind wir mit unserem geliehenem Fiat Qubo an den schlechten, nicht asphaltierten Straßen gescheitert. In diesem Jahr habe ich mir in den Kopf gesetzt von Sabinosa aus zu wandern.
Das bedeutet es sind pro Strecke 800 Höhenmeter und knapp vier Kilometer zu bewältigen. Zum Glück wussten wir das vorher nicht so genau, sonst hätten wir es uns mit zwei Kindergartenkindern wohl nicht zugetraut.

Der Weg ist gut gekennzeichnet, allerdings immer wieder schwierig zu gehen (sehr dicht bewachsen, oft mit Dornengestrüpp und z. T. bereits abgerutschte Wege). Insbesondere der letzte Kilometer hat es in sich: Im Schnitt haben wir 40 Grad Steigung zu bewältigen, das bedeutet über 80 Prozent. Normales Gehen ist deshalb schlecht möglich und wir kraxeln mehr auf allen Vieren zum Ziel. Das ist wenigstens nicht langweilig und die Kids lieben es trotz der Anstrengung!

Vier Stunden benötigen wir für den Aufstieg, dann machen wir oben eine Stunde Pause und stopfen uns mit Orangen, Bananen, Ananas, Äpfeln, Salamibroten und Cashews voll. Die vier Liter Wasser waren fast zu knapp bemessen, doch ich hatte gehofft unsere Flaschen an der Quelle auffüllen zu können. Leider ist die Fuente de Mencáfete im Prinzip ein großer moosbewachsener Fels an dem das kostbare Nass langsam herunter tröpfelt. Für einen Liter Wasser hätten wir schon ein paar Stunden warten müssen.

Den Abstieg schaffen wir zügig in zwei Stunden und erreichen am Spätnachmittag überglücklich unser Auto. Zurück auf dem Campingplatz koche ich gleich und wir essen fast die doppelte Portion Nudeln wie sonst.

Das erste Mal Baden am Playa del Verodal

Noch in meinem letzten Reisebericht von El Hierro habe ich geschrieben, dass der Strand wegen Steinschlaggefahr gesperrt sei. Doch dieses Jahr liegt das Schild zerfetzt am Boden und nachdem noch andere Leute baden, versuchen wir unser Glück. So wohl ist mir die ganze Zeit nicht, denn die großen Gesteinsbrocken im Sand kommen ja nicht von Ungefähr. So packen wir nach einmal schwimmen auch schon zusammen und düsen weiter.

Von den Wacholderbäumen zur Ermita Virgen de los Reyes

Weiter geht es durch das einsame Weideland La Dehesa zu einem der Wahrzeichen der Insel: Den knorrigen, windschiefen Wacholderbäume bei El Sabinar im weiten Westen der Insel. Auch hier ist eine Veränderung erkennbar.

Noch vor drei Jahren konnte man einen kleinen ausgeschilderten Rundweg (Sendero) gehen, der an vielen solcher Wacholderbäumen vorbei führte. Das Schild gibt es immer noch, allerdings hält ein neu errichteter Zaun die Besucher fern. Über die Gründe kann ich nur spekulieren. Vielleicht spazierten zu viele Touristen abseits der Pfade und gefährdeten so das sensible Ökosystem.

Im Anschluss machen wir noch einen Stopp bei der Ermita Virgen de los Reyes. Auf Grund von Bauarbeiten nebenan ist sie bis 4. April leider nur eingeschränkt (Vormittags bis 11:30 Uhr) zu besichtigen.
Diese kleine Kapelle mitten im Nirgendwo ist für die Bevölkerung El Hierros sehr wichtig. Seit 1745 wird alle vier Jahre im Juli bei einer sogenannten Bajada (Abstieg) die dort beherbergte Jungfrau der Könige auf einer Sänfte einmal quer über die Insel nach Valverde getragen. Die Prozession ist dabei der Höhepunkt der wochenlang andauernden Festlichkeiten, die auch viele Festlandspanier und tausende Besucher aus aller Welt anlockt. Mit Musik und Tanz wird ein Bildnis der Jungfrau auf dem Wanderweg Virgen de los Reyes 29 Kilometern quer über die Insel begleitet. Das Spektakel dauert ungefähr zwölf Stunden, da immer wieder verschiedene Stopps für Tänze eingelegt werden.
Auf diese Art und Weise bitteten die Hirten einst die Jungfrau Maria um Hilfe und beteten für Regen nach einer lang anhaltenden Dürre, die vielen Menschen und Tieren das Leben kostete. Nach ihrer Pilgerfahrt nach Valverde und einem neuntägigen Gebetsmarathon regnete es schließlich. Als Symbol des Dankes wird nun alle vier Jahre eine Bajada veranstaltet.

Die Inselhauptstadt Valverde und das Centro Etnográfico auf El Hierro

In der Hauptstadt Valverde, die auf 600 bis 700 Metern liegt, wohnen ungefähr 2.000 Einwohner. Das Wetter ändert sich hier oft schlagartig, da in dieser Höhe meist die Wolken durch ziehen.

Unter dem aufgespannten Zeltdach finden regelmäßig Folklore-Veranstaltungen statt. Im Hintergrund erkennt man die Hauptkirche der Insel. Die Iglesia de Nuestra Señora de la Concepción wurde gegen Ende des 18. Jahrhunderts erbaut und ist das Ziel jeder Bajada. Der Glockenturm diente früher als Piratenausguck und in der überaus breiten und großen Kirche konnten viele Menschen Schutz finden.

Als Ethnologin kann ich Euch natürlich einen Besuch im Centro Etnográfico in Valverde nur empfehlen. In drei Häusern sind verschiedene Handwerksprodukte wie traditionelle Kleidung, Geschirr oder Haushaltswaren ausgestellt. Aber besonders der erste Raum mit altem Webstuhl und Schmiede hat die Kinder beeindruckt. Dort gibt es sogar einen Film auf deutsch, der erklärt warum die Herreños selbst so viel angefertigt haben und es keine nennenswerte Industrie gibt.
Im angrenzenden Kunsthandwerksladen können danach schöne Andenken erworben werden.

Wandern durch den Märchenwald zum Hexentanzplatz

Als wir eines Morgens wider Erwarten im T-Shirt frühstücken können und kein einziges Wölkchen oben in den Bäumen hängt, brechen wir zu einer Wanderung durch die Heidelandschaft in der Inselmitte auf. In der Nähe der Straßengabelung Raya de la Llanía parken wir unser Auto auf 1300 Metern bei einer schön angelegten Quelle, wo wir sonst unser Trinkwasser abfüllen. Ein sehr abwechslungsreicher, schöner und nicht einmal fünf Kilometer langer Rundweg liegt vor uns. Die Tour ist einfach und mit 1,5 Stunden Gehzeit angegeben. Wir machen einige Pausen und benötigen für die entspannte Wanderung drei Stunden.

Zunächst geht es durch den mit Flechten bewachsenen Märchenwald zur Fuente del Lomo. Der dichte Lorbeerwald und viele Farne schaffen ein einzigartiges Ambiente und wir nennen dieses Gebiet schon lange Märchenwald. Oft wabern hier Nebelschwaden durch und alles scheint ein wenig unheimlich. Bei der Fuente del Lomo wird das Wasser in einer Zisterne gesammelt und man kann leider kein Trinkwasser abfüllen. Weiter führt uns der Weg zum Mirador de Fireba. Hier ist es sehr windig, aber der Ausblick genial. Wir schauen in den größten Vulkankrater der Insel auf den Hexentanzplatz und können im Hintergrund den Teide auf Teneriffa bestaunen.

Weiter geht es an einem toll angelegtem Picknickplatz vorbei zum Mirador de Llanía, der auch Mirador del Golfo genannt wird. Hier hat man einen guten Überblick über das fruchtbare Golftal und kann auch oft die Nachbarinseln La Palma und La Gomera erblicken – sofern es die Wolken zulassen.
Kurz danach erreichen wir wieder unseren Ausgangspunkt und füllen noch Wasser ab bevor wir zum Zeltplatz zurück düsen.

Zum Einkaufen nach El Pinar

Aber es muss nicht immer eine geplante Wanderung sein. Das ist das schöne, wenn man in der Inselmitte residiert wo sich zahlreiche Wanderwege kreuzen.
Nach einer sehr unruhigen, windigen Nacht frühstücken wir trotz Sprühregen draußen in der Sonne. Danach wandern wir spontan zum Einkaufen nach El Pinar. Auf dem Weg bestaunen wir die vielen blühenden Bäume und sehen einem älteren Ehepaar bei der Kartoffelernte zu. Insgesamt ist die Insel viel bunter als letztes Jahr im April.
Nach dem Briefmarken kaufen, trinken wir noch schnell einen Cortado in der Bar und stärken uns mit Tortilla de patata.

Auf dem Heimweg regnet es viel, doch die Kids laufen die zwei Kilometer zum Zelt super zurück. Dort angelangt will ich nur eines: Sonne und Baden! Und das ist das Tolle auf El Hierro – es geht. Wir fahren nach Tacorón, einer abgelegene Badebucht in der Nähe von La Restinga, und baden bei 25 Grad Celsius.

Fazit

Wer Ruhe möchte und trotzdem aktiv sein will, ist auf El Hierro genau richtig. Hier kann man wunderbar tauchen (Europas schönstes Taucherparadies), Gleitschirm fliegen, biken, baden und wandern. Zum Party machen oder für den relaxten Strandurlaub sollte man woanders hin fliegen.
Ab 10 Tagen lohnt sich die lange und aufwendige Anreise, die zum Glück gleichzeitig die Touristenmassen abschreckt. So bleibt es hoffentlich noch lange dieses ursprüngliche Eiland im Atlantik.
Trotz Flug- und Fährkosten kann man als Familie hier sehr günstig Urlaub machen – mit Zelt versteht sich. 4,30 Euro kostet der Campingplatz pro Nacht und Person (Kinder zählen nicht). Und der Platz zum Toben, Bauen, Buddeln und Schnitzen ist sowieso unbezahlbar!

2 Kommentare bei „Willkommen daheim: Endlich wieder auf El Hierro“

  1. Hallo Larissa,

    Meine Frau und ich fahren vom 3.-18. September nach El Hierro. Ich habe Deine Eindrücke und Bilder gerne angeschaut.
    Unsere Fußabrücke werden neben Euren zu finden sein.

    Vielen Dank

    1. Hallo Horst,
      dann wünsche ich einen schönen Urlaub und hoffe, dass Ihr ebenso begeistert sein werdet!
      Gute Reise,
      Larissa

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